Die Kunst des Loslassens ist eine Aufgabe mit der wir mal mehr mal weniger unser ganzes Leben beschäftigt sind. Unser Alltag ist zumeist geprägt von Struktur und Rationalität, wobei wir oft vergessen, dass die Dinge nur halb so planbar sind, wie wir das gerne hätten. Loszulassen und sich der einzigen Konstante hinzugeben, die uns das Leben bereit hält – Veränderung – ist bei diesen Voraussetzungen um so schwerer. Ein Gespräch mit einer Frau, die Yoga als Möglichkeit sieht sich dem Fluss des Lebens hinzugeben und zu vertrauen, in die Gesetze des Universums, sowie sich selbst. Yoga als einen Anker zu haben, der dich immer wieder zu dir selbst zurück bringt.
„Yoga hat mich einfach geheilt, auf so vielen Ebenen. Ich wollte es einfach nur noch weiter geben, weil es für mich, wenn man es wirklich übt, die größte Magie entfalten kann.“
Corona bedingt treffe ich Julia in dem allseits bekannten Zoom-Meeting, das sich über das letzte Jahr als beste Freundin und Helferin etabliert hat. Spontan wie eh und je, nehme ich mir vor, Julia die Fragen zu stellen, die sich in unserem Gespräch ergeben, ohne einen konkreten Plan zu haben. Intuitiv greife ich damit das auf, was Julia auch ihren Schüler*innen vermitteln will – sich dem hinzugeben was ist.
Raphaela: Wie bist du zum Yoga gekommen, oder wann hast du mit Yoga angefangen? Was ist deine Vorgeschichte?
Julia: Tatsächlich, also ich glaube ja nicht an Zufälle, aber tatsächlich wurde ich mehr oder weniger zu meiner ersten Yogastunde „gezwungen“. Mein Geist war schon immer sehr umtriebig. Ich war generell oft sehr unruhig und unkonzentriert, außer, wenn ich etwas wirklich geliebt habe. Ansonsten war ich immer eher überall so ein bisschen. Meine Mami meinte immer ‚Julchen, Yoga würde dir doch total gut tun, probier das doch mal‘. Damals dachte ich mir nur: ‚Komm. Lass mich mit deinem Yoga allein. Ich will damit gar nichts zu tun haben. Langweil mich nicht. Du kannst gerne selber vor dich hin atmen‘, weil sie sanfteres Yoga gemacht hat, mit dem ich mich gar nicht identifizieren konnte.
Dann war ich im Urlaub und die Mama von meinem damaligen Freund hat mich gefragt, ob ich mit in die Yoga Stunde gehe. Ich dachte mir nur: ‚Um Gottes willen, da musst du ja jetzt mit, da kannst du ja jetzt nicht nein sagen…‘
„Was ich schreibe und das was ich erzähle kommt aus meinen Erfahrungen, aus dem wie ich mich darin Gefühlt habe, nur subtiler.“
Das war in Vietnam, im August 2014. Ich bin dann dort mit ihr ins Yoga gegangen. Wir waren zu dritt in der Stunde und ich habe mich danach … obwohl ich während der Stunde nicht wusste wo oben und unten ist, …so gut gefühlt. Ich hab früher geturnt und das hat mich so an das Turnen erinnert und das Turnen habe ich geliebt. Es hat sich so gut angefühlt, dass ich tatsächlich am nächsten Tag wieder ins Yoga gegangen bin.
Daraus hat sich meine Praxis dann nach und nach etabliert. Ich bin zuerst in München im Fitness Studio gegangen. Dann habe ich dort eine tolle Lehrerin gefunden – Jane -, zu der ich gegangen bin – und sie meinte irgendwann‚ das reicht nicht, du musst mehr üben. Geh doch mal ins Jivamukti. Geh zu Kari. Bei ihr hatte ich dann meine erste Jivamukti Stunde. Als ich dann wieder zu ihr gehen wollte, war sie nicht da, Petros hat gesubbed und da hab ich meinen Lehrer gefunden. Von da an wars mehr oder weniger um mich geschehen mit dem Yoga.
Raphaela: Dann hat es quasi 2014 angefangen, dass du regelmäßig ins Yoga gegangen bist?
Julia: Also damals war es so, dass ich einmal bis zweimal die Woche ins Yoga gegangen bin. Ich habe parallel Jura studiert. Ich hatte nie! vor Yogalehrerin zu werden. Das war mehr mein Ausgleich zum Lernen und zum Dasitzen, um zu mir zu kommen. August 2014 bis März 2016 habe ich dann einfach so für mich geübt. Das wurde nach und nach immer mehr und intensiver. Ich war damals kurz vor dem Staatsexamen und dachte mir: ‚Ok. Ich brauchte irgend einen Lichtblick, irgendwas worauf ich mich freuen kann.‘ Da habe ich dann mein erstes Yogatraining gebucht.
„Ich habe damals einfach so einen Lichtblick gebraucht.“
Raphaela: War das Yoga Teacher Training dann beim Jivamukti?
Julia: Nein, zuerst hab ich eine Ashtanga Ausbildung gemacht. Jivamukti kam danach. Ich habe damals einfach einen Lichtblick gebraucht. Da war ich aber um ehrlich zu sein noch total blauäugig unterwegs. Ich habe damals einfach im Internet nach Yogatrainings gesucht und bin dann auf eines in Thailand gestoßen.
Dann bekam ich von einer Bekannten noch eine Empfehlung, die ihr Training auch dort gemacht hat und dachte: ‚Das wird schon passen, wenn die das gut fand.‘ Ich habe das Training daraufhin gebucht und bin ohne zu wissen, was Ashtanga eigentlich ist, nach Thailand geflogen. Das war genau das was ich brauchte zu der Zeit. Struktur. Disziplin. Ausgerichtetheit. (Lacht)
In Thailand habe ich dann 5 Wochen im Jungle gelebt und meine Ashtanga Ausbildung gemacht. Rückblickend war das mit die glücklichste Zeit die ich hatte, auch wenn ich wohl zu Beginn recht oft weinend und aufgelöst bei meiner Familie angerufen habe, dass ich hier weg will – aber daran erinnere ich mich gar nicht mehr (lacht) .
Es war auch mit die intensivste Zeit. Weil klar, erstens war es das erste Training da passiert sehr sehr viel mit einem, zweitens Ashtanga und drittens wird dir so ungefähr jeder Komfort weg genommen. Für mich war es jedenfalls so. Das Teacher Training war abgelegen auf Koh Phangan im Jungle. Wir hatten kein warmes Wasser zum Duschen. Überall Insekten und exotische Tiere, die plötzlich mit mir im Bett lebten… Alles sehr neu und ungewohnt.
„Es war super intensiv. Aber es war auch. Es war einfach gigantisch.“
Raphaela: Wie ist es, wenn man eine Ashtanga Ausbildung macht? Denn es gibt doch 4 Stufen im Ashtanga. Macht man dann nur die erste?
Julia: Also es gibt 6 Serien. Genau. Wir haben dort aber nur die Primary Series gemacht. Es hieß auch Ashtanga/ Vinyasa. Wir hatten noch zwei drei andere Stunden, z.B. auch Rocker Yoga, Vinyasa und Yin. Aber die Primary Series war das Haupt-Ding. Traditionelles Ashtanga ist sehr Lehrerbezogen. Und Man übet es Mysore – also selbstständig unter Aufsicht des Lehrers. Dein Lehrer sagt dir dann – jetzt hast du durch die erste Serie durchgeatmet, du darfst zur zweiten gehen, wenn es ganz streng befolgt wird. Das war bei diesem Ashtanga Training nicht so streng. Aber ich hab noch nie in meinem Leben so viele Chaturangas gemacht. (Lacht)
Raphaela: (Lacht) Hey aber gut – immerhin baut man so eine gute Grundmuskulatur auf.
„Ich habe die extremste körperliche Praxis gebraucht, um erst einmal im Klaren zu sein. Um mich mit mir zu verbinden. Ich hätte mich nicht einfach hinsetzen können. Manche setzen sich hin, sind da und brauchen kein Asana. Das ist für jeden anders.“
Julia: Ich war noch nie so fit in meinem Leben. Glaube ich!
Raphaela: Das war dann quasi in der Zeit nach deinem ersten Staatsexamen?
Julia: Genau.
Raphaela: Hast du danach erstmal wieder weiter gemacht mit dem Jura Studium?
Julia: Ich kam dann zurück und war durchs Staatsexamen gefallen. Grade am vorletzten Tag des Trainings habe ich die Nachricht bekommen, aber es war egal, weil ich so glücklich war, mit und für all das was ich dort erfahren, gemacht und gelernt habe. Ich bin also zurück gekommen und habe wieder angefangen zu lernen, habe dann aber gemerkt, das ist es nicht. Das ist nicht das was ich machen will. Es erfüllt mich gar nicht. Es macht mir keinen Spaß. Und dann habe ich beschlossen, dass ich das Drope und das ich mich aufs Yoga konzentriere.
Daraus hat sich alles so weiterentwickelt. Als ich noch in Thailand war, haben wir auch eine Yin Stunde gehabt. Und diese Yin Stunde, die war für mich einfach nur ‚Wow. Wow Wow…Was war das?‘ Sarah, die damals die Stunde gegeben hatte, hat bei Meghan Currie gelernt. Meghan ist nun, neben Petros meine andere Yogalehrerin. Ich hatte bis dahin noch nie von ihr gehört, weil ich mich damals noch null mit der Yoga Szene auseinander gesetzt habe.
Aber eben, in dem Ashtanga Teacher Training habe ich dann auf diese Weiße von meiner nächsten Lehrerin erfahren und so hat sich das dann alles ganz von allein entfaltet.
Yoga hat mich einfach geheilt, auf so vielen Ebenen. Ich wollte es einfach nur noch weiter geben, weil es für mich, wenn man es wirklich übt, die größte Magie entfalten kann.
„(…) es braucht Zeit und es ist ein Prozess. Das funktioniert nicht, wenn du einmal die Woche Yoga übst.“
Yoga ist eine Erfahrung. Yoga ist ein Zustand. Und du musst den Zustand erfahren, indem du verschiedene Praktiken übst, sei es Pranayama, Meditation, Asana, Chanting Für jeden ist es was anderes. Jeder fängt wo anders an. Und jeder braucht was anderes. Das ist sehr persönlich. Am besten natürlich von jedem etwas. Aber das ist ein Weg und ein Prozess und es dauert herauszufinden was man braucht.
Ich habe die extremste körperliche Praxis gebraucht, um erst einmal im Klaren zu sein. Mich zu Verbinden, Zu mir zu kommen. Ich hätte mich nicht einfach hinsetzen können. Manche setzen sich hin und brauchen kein Asana. Das ist für jeden anders.
Raphaela: Du würdest also sagen, du bist erst über die körperliche Praxis auch zur Meditation gekommen?
Julia: Komplett. Ich war der un-spirituellste Mensch den du dir vorstellen kannst. Ich war total Kopf gesteuert , super rational, sehr logisch. Strukturiert und auch sehr kontrolliert. Das hat sich sehr geschiftet.
Raphaela: Du unterrichtest dann ausschließlich Yoga? Das ist dein Hauptberuf?
Julia: Ja, ich will nichts anderes machen. Und das ist auch das schönste für mich, das was mir alles gibt, wenn du deine Schüler*innen siehst, wie sie in der Praxis sind. Und du dann auch immer wieder deine selben Schüler*innen hast die kommen und du merkst: ‚Wow, yeah‘ – sie gehen über sich hinaus und überwinden ihre Grenzen. Wachsen über sich hinaus und etwas öffnet, verändert sich. Denn Yoga ist nicht jedes Mal nur dieses Feel Good. Yoga ist harte Arbeit, auch wenn es oft anders verkauft wird. Denn keiner kann es für dich machen. Es ist dein Weg.
Die Kunst des Loslassens – „Du lernst einfach gleichmütiger mit allem umzugehen. Du lernst die Dinge anzunehmen und zu akzeptieren.“
Es ist jedes Mal eine neue Erfahrung. Du verbindest deinen Körper und deinen Geist, indem du Atem und Bewegung verbindest. Lernst zuzuhören. Tauchst ein, in diese Einheit, um dann zu sehen, was passiert. Das ist einfach magisch für mich. Aber es braucht Zeit und es ist wie alles im Leben ein Prozess. Das funktioniert nicht, wenn du einmal die Woche Yoga übst.
Raphaela: Bei Kale&Cake unterrichtest du aber derzeit hauptsächlich Yin Yoga?
Julia: Online nur Yin. Früher im Studio habe ich mehr dynamisch unterrichtet.
Raphaela: Was würdest du sagen fasziniert dich am Yin vor allem?
Julia: Die Yin Ausbildung die ich damals gemacht habe, die war für mich schwierig. Ich bin manchmal dreimal in einer halben Stunde „auf Toilette“ gegangen, weil ich es nicht ausgehalten habe ruhig zu sein, nicht mehr liegen konnte. Es ist mental super anstrengend für mich gewesen in dieser kompletten Stille zu sein. Aber ich glaube, dass ich deshalb auch einen ganz guten Weg gefunden habe, die Yin Stunden die ich gebe zu gestalten. Ich erzähle in meinen Yin Stunden recht viel. Was eher untypisch ist, aber ich erzähle sehr viel. Es geht sehr viel ums loslassen und auch um Aufmerksamkeitsverlagerung im Körper, bei der vor allem Emotionen eine große Rolle spielen. Das war auch mein Weg, wie ich gelernt habe ruhiger und weicher zu werden, loszulassen.
„Ich möchte meinen Schüler*innen einfach einen Raum geben, in welchem sie neue Erfahrungen für sich sammeln können.“
Es ist sehr Situationsabhänig und Gefühlsabhängig wenn ich Yin unterrichte. Yin erdet mich wahnsinnig. Es gibt mir sehr viel Ruhe und Stabilität. Und das kam aber auch durch meine Lehrerin Meghan, weil ich da auf eine mich sehr fesselnde Art an das Yin und das Nidra heran geführt worden bin, als das herkömmlich unterrichtete, „klassische“ Yin, welches viel damit zu tun hat: ‚Ich leg die Leute jetzt in eine Position und lese ein Gedicht vor und lass die dann mit sich alleine.’ Das ist nicht so meins.
Bei Yin finde ich – ich meine es kommt auch wieder auf den Typ an – ich persönlich finde es wahnsinnig schwierig, wenn du keine Yin Praxis hast, die Leute einfach in den Haltungen liegen zu lassen. Das ist eine gute Übung für den Verstand, keine Frage, aber einfach sehr herausfordernd.
Raphaela: Liest du dann Sachen vor? Oder was machst du um diese Räume zu füllen, damit sich deine Schüler*innen nicht allein gelassen fühlen?
Julia: Ich rede über persönliche Erfahrungen, die ich aber natürlich anders verpacke. Also ich erzähle jetzt nicht direkt von meinem Trennungsschmerz oder was auch immer. Aber klar, dass was ich schreibe und das was ich erzähle kommt aus meinen Erfahrungen, aus dem wie ich mich darin Gefühlt habe, nur subtiler.
„Wir sind immer mal wieder weiter weg von uns. Dann sind wir wieder näher an uns dran. Manchmal verlieren wir uns wieder und finden dann wieder zu uns zurück.“
Raphaela: Was würdest du sagen ist deine Intention hinter dem Unterrichten? Was möchtest du deinen Schüler*innen mitgeben?
Julia: Ich möchte meinen Schüler*innen einfach einen Raum geben, in welchem sie neue Erfahrungen für sich sammeln können. Auf die sie dann, in den Moment in welchen sie sie brauchen, immer wieder zurückgreifen können.
Wir sind immer mal wieder weiter weg von uns. Dann sind wir wieder näher an uns dran. Manchmal verlieren wir uns wieder und finden dann wieder zu uns zurück. Ganz Situationsabhängig. Emotionsabhänig. Der Yoga-Weg, der gibt dir einfach, wenn du ihn dann übst und praktizierst, so viel. Du lernst gleichmütiger mit allem umzugehen. Du lernst die Dinge anzunehmen und zu akzeptieren. Aber auch selbstverantwortlich zu handeln. Eigenverantwortung zu übernehmen. Ich kann es gar nicht so richtig beschreiben. Aber es ist ein Gefühl, welches durch die Erfahrung in der Praxis und die Verbindung kommt. Und wenn du dieses Gefühl einmal hattest, ich glaube, dann bist du gecatcht.
„(…)indem du merkst, dass du nicht alleine bist, bekommst du selber so viel Mitgefühl. Auch weil du lernst dich selber wieder richtig zu spüren, wodurch auch viel mehr Akzeptanz da ist.“
Der Yoga erinnert uns daran, dass alles immer da ist. Das ist der Zustand. Der Zustand in dem nichts fehlt. Purnam. Volle Fülle. Die ist immer in dir. Und wir kriegen in der Praxis immer wieder diese Glimmses von diesem Zustand. Wenn du dann im Savasana bist und du wachst auf und bist so.. (No Words)
Das sind glimmses. Und ich finde das gibt einfach für und in der materiellen Welt so viel halt und so viel Stabilität, dass du weißt, dass du immer wieder zu diesem Gefühl zurück kommen kannst. Auch wenn es Arbeit ist, aber es ist immer da. Wir vergessen es leider viel zu oft.
Raphaela: Absolut. Ich vergesse es selber viel zu oft.
Die Kunst des Loslassens – „Jeder braucht etwas anderes, je nachdem wie weit die oder derjenige auf ihrer/ seiner Reise ist.“
Julia: Aber das will ich noch sagen, weil es nämlich okay ist, dass wir es vergessen. Wir haben alle die gleichen Bedürfnisse. Wir haben alle die gleichen Gefühle, Gedankenmuster. Sind oft gefangen in all unsere Konditionierung. Wir denken nur immer, dass wir in unserer Story alleine sind. Ja, es sind unterschiedliche Geschichten und verschiedene Maßstäbe und man darf es nicht vergleichen, weil die Intensität ist für jede Person trotzdem immer ihre eigene. Höchstpersönlich.
Aber indem du merkst, dass du nicht alleine bist, bekommst du selber so viel Mitgefühl. Auch weil du lernst dich selber wieder richtig zu spüren, wodurch auch viel mehr Akzeptanz da ist.
Raphaela: Ja, man lernt wirklich einfach einen richtig schönen, liebevollen Umgang mit sich selber.
Julia: Man lernt den Umgang mit sich selber, aber man lernt auch, dass das ganze Universum, das ganze Leben, das entspringt immer aus dir heraus. Wir sagen immer, wir müssen immer zuerst auf uns selber aufpassen. Tun das für uns. Und das tun wir auch auf eine gewisse Art und Weise. Nur nachhaltiger.
Denn in der Yoga Philosophie wird das ja etwas anders dargestellt. Wenn wir üben, dann setzen wir ein Sankalpa, eine Intention, eine Widmung. Wir widmen unser Tun, unser Üben etwas Höherem. Nenne es Gott. Nenne es Natur. Nenne es Universum. Nenne es wie es sich für dich richtig anfühlt. Um dann daraus zu entdecken, dass dieses höhere Bewusstsein, das göttliche in dir selbst ist. Und das ganz selbstlos.
„Das ist ja die zentrale Frage so. Who am I? Und was bin ich?“
Raphaela: Das ist gerade so viel neuer Input für mich. Vielleicht bin ich gerade auch aus diesem Yoga Mindset so ein bisschen rausgekommen.
Julia: Weiß ich gar nicht. Da kommt ja auch immer wieder was neues dazu. Was ist schon ein „Yoga Mindset“? Es ist mehr das Anerkennen, dass sich alles ständig verändert und im Wandel ist. Alle Philosophien, und auch Yoga ist eine Philosophie, sind nicht perfekt und da ist immer so viel Raum für Interpretation. Und deswegen sage ich auch, dass für alles eine Berechtigung da ist. Jeder braucht etwas anderes, je nachdem wie weit die oder derjenige auf ihrer/ seiner Reise ist.
Und es ist fürchterlich beängstigend da tief rein zu gehen, weil du so oft das Gefühl hast, der Boden wird dir unter den Füßen weggezogen. Und wo ist die Realität die ich kenne und meine Identität und wer bin ich überhaupt?
Raphaela: Wie gehst du mit der Frage nach deiner Identität um? Würdest du sagen, du bist bereits an dem Punkt, dass du sie in etwas Höherem erkennst?
Julia: Ich glaube das ist nie ganz da. Es ist immer ein Falling in und ein Falling Out. Bei mir ist es jedenfalls so. Und jedes Mal wenn du denkst: ‚Ich habs‘ fällt es dir doppelt um die Ohren. Aber das ist auch das Schöne, dass es nie aufhört. Du entdeckst immer etwas neues. Auch in der Asana Praxis. Da ist kein Ende. Es geht immer nur um den Weg.
„Wir kämpfen so sehr gegen uns selber, die ganze Zeit. Weil wir denken, wir müssen und es ist notwendig. Aber ist es das?“
Raphaela: Aber findest du das nicht manchmal frustrierend, dass es einfach immer weiter geht?
Julia: Klar – diese Momente kenne ich sehr gut! Aber ist das nicht der schönste Gedanke, dass es einfach immer weiter geht, egal wie kacke es auch gerade ist? Daran versuche ich mich dann immer zu erinnern.
Raphaela: Ja, aber ich sehne mich manchmal nach diesem Ankommen, etwas was einfach Stabil ist und für immer hält.
Julia: Vielleicht hält es für immer, wenn du besonders talentiert bist, so steht es zumindestens in den Schriften. (Lacht) Ich glaube die Dinge wiederholen sich so lange, bis sie sich auflösen. Bis wir gelernt haben was wir daraus lernen sollen. Und entweder ‚we surrender into it‘ und wir lassen uns darauf ein und wir gehen durch diesen scheiß schmerz und es ist kacke und es ist nervig und es ist zum kotzen und man hat keinen Bock drauf. Oder man geht wieder zurück in die Kontrolle und die Struktur und das was man kennt und das was einem vermeintlichen halt gibt. Aber ich glaube es wird einem so auch immer und immer wieder um die Ohren fliegen. Aber auch das ist ok.
Klar. Es geht immer darum Eigenverantwortung zu übernehmen. Aber es geht auch darum mal loszulassen und das was ist anzuschauen und zu akzeptieren. Und nicht dagegen anzukämpfen.Wir kämpfen so sehr gegen uns selber, die ganze Zeit. Weil wir denken, wir müssen… immer weiter… immer mehr… und es ist notwendig. Aber ist es das? Und wo ist dann das ankommen?
„Es geht immer nur um den Weg.“
Und warum ist es das? Wegen unserer Vorstellung. Und warum unsere Vorstellung? Weil wir uns damit identifizieren. Das ist auch ein wichtiger Teil. Das du dir Zeit gibst in dem Prozess. Wir wollen dann immer alles jetzt, direkt und schnell und am besten gestern… Oder wir befinden uns in der Warteschleife…Nein, Nein. Man muss sich auch manchmal Zeit geben. Und einfach nur sein…. (Lacht) wenn das nur so einfach wäre.
Ich versuche wirklich immer zu sehen, was es gutes am Ende für meine Entwicklung hat. Oder auch für das Unterrichten oder das Leben. Weil am Ende können wir es vielleicht ein Stückweit beeinflussen immer, aber ist es dann richtig für uns wenn wir so kämpfen? Weiß ich nicht. Und das muss jeder für sich entscheiden. Das ist höchstpersönlich. Deine Entscheidung.
Die Kunst des Loslassen – „Wir haben es nie in der Hand. Wir denken es nur.“
Wir bestehen aus so vielen Schichten. Und je tiefer wir gehen, desto mehr kommt hervor, wandert an die Oberfläche. Auch wenn wir denken, wir wissen schon was kommt, es wird immer mehr und es kommt immer noch mehr. ABER. Wenn es überwunden ist. Wenn du durch diesen Widerstand durch bist. Durch diese Situation. Und auch wenn sie in diesem Moment unerträglich und nicht auszuhalten scheint. Danach entsteht so viel und da passiert so viel Magie.
Das ist auch ein Aspekt des Yogas, wenn du wirklich so tief da rein gehst, du brauchst wirklich eine Lehrerin, einen Lehrer. Du musst die Arbeit selbst tun, aber jemand der dich begleitet ist meiner Meinung nach sehr wichtig. Yoga kann bereichert dein Leben ungemein, er kann dein Leben aber auch ganz schön auf den Kopf stellen und wenn du da alleine bist…. Puh dann gute Nacht. (Lacht)
Raphaela: Ich glaube, da können sich alle glücklich schätzen die dich als Lehrerin haben. Man fühlt sich auf jeden Fall sehr aufgehoben bei dir. Also ich fühle mich gerade sehr aufgehoben.
Julia: (Lacht) Und das obwohl du noch nie Yoga bei mir geübt hast.
Raphaela: Das stimmt. Aber alleine im Gespräch, hat mir das gerade sehr sehr gut getan. Einfach auch wieder daran erinnert zu werden, dass eigentlich die einzige Konstante im Leben Veränderung ist und auch wenn es manchmal schwer ist, es wird immer vorbei gehen, weil es nichts statisches gibt.
Julia: Wie denn? Und auch jetzt während Corona. Ist alles wirklich so anders? Wir haben es nie in der Hand. Wir denken es nur.
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Mit Julia praktizieren kannst du jeden Sonntag Live Online im Yin Yoga von 18:45 bis 20:00h.
Außerdem kannst du mit Julia auf YouTube durch einen Yin Yoga Stunde fließen.
Alle Fotos sind von Susanne Schramke: https://susanneschramke.com
Interview-Führung und Artikel: Raphaela Baumgartner.